Zum Basteln (wunderschöne Blütenstickereien standen auf dem Programm!) setze ich mich neben Manou an ihren Gruppentisch. Nachdem ich die höchst originellen, asiatisch anmutenden Stickereien der Kinder auf einem farbigen DIN A 3 Blatt (Blüte und Stiel) bewundert habe, spricht mich Manou plötzlich an: „Mary Poppins at school, das ist soo schön, was du in mein Poesiealbum geschrieben hast!“
„Ja? Gefällt dir das?“ „Ja, danke! Das ist sooo schön!“
Manou sah mich verzückt an. Sie war ganz ruhig und doch schien es in ihr zu beben.
Manou war sehr bewegt, das merkte ich ihr an.
Ich erinnere mich… bei der Frage „Was magst du an mir am meisten?“ habe ich ihr geschrieben, dass Manou die erste in der Klasse war, die auf ihre ganz eigene Weise Kontakt zu mir aufnahm. Und dass mir das gefallen hat. Ich habe ihr auch geschrieben, dass sie die erste war, die mir öfter von sich erzählte, von ihrem Zuhause und ihrer Familie. Dabei strahlte sie immer auf umwerfende Art, mich hat das oft berührt.
„Och wie schön, dass dir das so gut gefällt!“
„Ja, und das Foto, das du reingeklebt hast ist auch so schön!“„Danke, Manou!“
„Ja, da siehst du so jung aus!!“
„Und jetzt siehst du auch schön aus, Mary Poppins at school!“ „Mmh, danke, Manou!“ „Ja, und du hast so schön geschriieben!“ Sie betonte jetzt so anders; wenn Manou sich ganz doll freut, zieht sie die Vokale immer in die Länge; damit zeigt sie ihre ganze Begeisterung.
Mit so viel Freude von Manou über meinen Eintrag in ihr Poesiealbum hatte ich nicht gerechnet. Als ich es ihr neulich zurück reichte, hatte ich ihr meine Einträge vorgelesen.
Am Abend zuvor beantwortete ich Fragen wie „Wenn du ein Tier wärst, welches wäre das?“ oder „Warum wärst du gern dieses Tier?“
Schließlich fand ich folgende Frage in Manous Poesiealbum: „Was würdest du am liebsten tun?“, die ich so beantwortete: „Ich möchte gern mit singenden und tanzenden Kindern zu den Menschen in einem Hospiz gehen.“
Als ich ihr meine Antwort vorlas, nutzte ich die Gelegenheit, um ihr den Begriff „Hospiz“ zu erklären. Damit wusste Manou, was meine Antwort in ihrem Poesiealbum bedeutete, vor allem der Begriff „Hospiz“.
In diesem Moment veränderte sich merklich die Energie zwischen uns.
Als ich ihr den Satz vorlas und anschließend erläuterte, schien Manou tief in ihrem Inneren zuzustimmen. Vielleicht wäre sie gern mitgekommen – wenn es das nächste Mal wieder so weit ist, wer weiss? Dieser Moment war voller Sanftmut und Wärme. Manou wirkte noch weicher als sonst und sie sah mich voller Wertschätzung und irgendwie auch Bewunderung an. Dies waren ungewöhnlich bewegende Augenblicke für mich, die ich noch nie mit einem Kind geteilt hatte.
Manou verstand. In diesem kleinen Wesen – sie ist sechs Jahre alt – steckt mehr Weisheit und Kraft, als wir uns wohl vorstellen können. Immer wieder bemerke ich eine großartige Weitsicht von Kindern in diesem Alter, und sie strahlen eine Sicht auf die Welt aus, um die man sie glattweg beneiden könnte. Noch dazu sind ihre Erzählungen von so viel Liebenswürdigkeit, Unschuld und Liebreiz getragen, dass ich mich gern täglich davon berühren lasse.
Wieviel ich diesen Kindern in meinem Leben zu verdanken habe!
Manou, hab vielen Dank für diese innigen Momente mit dir, für deine Begeisterung und deine Wertschätzung. Danke, danke, danke!